Gemeingut und Grundversorgung

Philosophie und Kunst_12

Ausgangspunkt jeglicher Überlegungen zur Neuorientierung muss der Ast sein, auf dem wir alle sitzen: unser Planet, die Erde. Ist es richtig, dass einzelnen Menschen Teile unseres Planeten gehören und wenn ja, wer verteilt mit welchem Recht den Planeten und an wen? Wem gehört die Antarktis und die dortigen Bodenschätze?

Der Grund und Boden sowie die „Schätze des Bodens“ sind Grundlagen des Lebens aller Menschen und im Grunde ein Geschenk an die Menschheit als ganzes. Sie sind derzeit jedoch größtenteils Privateigentum und damit nicht mehr allgemein verfügbar sowie durch übermäßige Ausbeutung und Vergiftung massiv bedroht. Immer weniger Menschen kommen in den Genuss dieses Geschenks. Naturschutz und Wirtschaft dürfen nicht mehr Gegensätze darstellen.

Boden ist nicht durch menschliche Leistung entstanden und auch nicht vermehrbar. Das Naturgut Boden ist das bedeutendste Monopolgut. Aufgrund dieser Erkenntnis hat es immer wieder Reformbewegungen gegeben, die zu Recht das gleiche Anrecht aller Menschen am Boden reklamierten. Diese natürlichen Ressourcen sollten daher der Weltgemeinschaft insgesamt gehören (Gemeingut). Dies sind vor allem der Boden, das Wasser und die Bodenschätze.

Die Diskussion der Anrainerstaaten über den Besitz des Bodens und damit der Bodenschätze in der Antarktis unterstreicht die Fragwürdigkeit der bisherigen Praxis. Bei allen nicht vermehrbaren Naturgütern ist es wie beim Boden: Es entsteht ein ökonomischer Vorteil aufgrund des Eigentums oder der kostenfreien Nutzung ohne eigene Leistung. Gleiche Teilhabe aller Menschen an diesen natürlichen Knappheitsrenten ist für soziale Gerechtigkeit und nachhaltiges Wirtschaften unabdingbar.

Beim Wasser wird die Aktualität überdeutlich: Mit weltweit zunehmender Knappheit an Trinkwasser wächst das Interesse kaufkräftiger Investoren an der Privatisierung von Wasserrechten. Gleichzeitig wächst die Notwendigkeit, das kostbare, knappe Gut zu schützen und allen zugänglich zu machen.

Der Sparzwang vor allem in Europa führt uns allen vor Augen welche Naturgüter (Wälder, Seen und sogar Schutzgebiete) plötzlich im Angebot sind und als Privateigentum vermutlich bald dem öffentlichen Zugriff entzogen werden. Flankiert wird diese Entwicklung durch die weltweit zunehmende Bodenspekulation.

Wenn der Mensch bei seiner Geburt die Erde und ihre Ressourcen verteilt vorfindet, kann er dies nicht als gerecht empfinden. Die ganze Erde ist Erbteil der gesamten, sich erneuernden Menschheit. Nationale Egoismen blockieren eine solche Reform, die langfristig jedoch nicht vermieden werden kann, wenn es auf der Erde gerecht und friedlich zugehen soll.

Die sich bei der derzeitigen Praxis ergebenden Verteilungskonflikte um Land, Rohstoffe, Öl, Wasser usw. wären damit gegenstandslos. Sie zählen bis in die Gegenwart hinein zu den wichtigsten Kriegsursachen. Außerdem entfiele die Möglichkeit mit dem Boden und unseren Lebensgrundlagen zu spekulieren. Der Einzelne sollte den Boden und die übrigen natürlichen Ressourcen gegen Entgelt begrenzt nutzen können. Die Nutzungsrechte würden in marktwirtschaftlichen Verfahren vergeben werden, an denen sich jeder beteiligen kann. Die Grundversorgung der Menschen ist hierbei sicherzustellen.

Leben muss aber auf der Erde auch der, der aus der Nutzung der natürlichen Ressourcen keinen geldwerten Vorteil zieht. Schließlich haben auch diejenigen ein selbstverständliches Daseinsrecht, die zur Ressourcennutzung gar nicht in der Lage sind. Sie alle müssen befürchten, durch die ökonomisch Tüchtigen an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden. Deshalb darf eine Bodenreform an dieser Stelle nicht stehen bleiben. An Stelle von Steuern müssten die Inhaber der Nutzungsrechte die ökonomischen Vorteile, die in den Schürfrechten oder im Pacht- bzw. Erbbauzins ihren Ausdruck finden, an die Gemeinschaft abführen. Dann neidet niemand mehr dem anderen seinen Besitz.

Jede Nutzung, jeder Nießbrauch oder jeder Verbrauch von Gemeingut ist zum Marktpreis abzurechnen. Die Einnahmen aus dem Gemeingut stehen aus Gründen der Chancengleichheit anteilig allen Menschen zu. Sie können vorrangig vor Steuern zur Finanzierung der Infrastruktur und der Grundversorgung dienen. Diese Einnahmen sollen entsprechend der Bevölkerungszahl der kommunalen Basis zufließen. Diese führen einen festen Prozentsatz ihrer Einnahmen an die nächst höhere Ebene ab. Alle anderen unteren Ebenen verfahren ebenso. Die Einnahmen aus dem Gemeingut bilden anstatt der Steuern den Grundstock der öffentlichen Mittel.

Aus diesen Mitteln ist zusammen mit möglicherweise notwendigen Verbrauchsabgaben zunächst die existenzielle Grundsicherung sicherzustellen. Dies geschieht in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens und einer staatlich garantierten Grundversorgung. Die Kürzung, Aussetzung oder Streichung von Finanzzuweisungen können aber auch als Instrumente zur Durchsetzung von Mehrheitsentscheidungen der Menschheit dienen. Gewalttätige Auseinandersetzungen wären unnötig, könnten verboten und geächtet werden.

Zum Gemeingut sollten auch ungleich verteilte, leistungslose Erträge oberhalb von Freibeträgen gehören und das Vermächtnis der vorherigen Generationen. Hier sind an erster Stelle Erbschaften und Schenkungen zu nennen. Kleinere Beträge, die nach heutigem Recht ohnehin steuerfrei bleiben, sollten auch zukünftig Privatsache sein. Grund und Boden wäre ohnehin zum Gemeingut zu zählen und könnte nicht vererbt werden. Das Wohnrecht bliebe hiervon allerdings unberührt.

Der Nachlass vorheriger Generationen muss im Grundsatz allen Menschen gemeinsam zustehen. Noch nie waren die Privatvermögen in Deutschland so groß wie heute. Im Verlauf der nächsten zehn Jahre werden in Deutschland voraussichtlich Werte von mehreren Billionen Euro weitergereicht werden. So wie das Vermögen wird auch das Erben extrem ungerecht verteilt sein. Die eine Hälfte der Deutschen wird voraussichtlich gar nichts erben. Der Anteil der Reichen, die ihr Vermögen geerbt haben, ist jedoch besonders groß.

Zahlreiche britische Adlige übergeben anstelle von hohen Erbschaftssteuern und Unterhaltskosten ihre Herrenhäuser schon seit längerer Zeit lieber dem Staat. Heute besitzt der National Trust, dem diese Grundstücke übertragen wurden, 1,5 Prozent des Landes sowie zehn Prozent der gesamten Küste. Ein Beispiel für die Wirkung der Übertragung an die Gemeinschaft.

Während ein Teil der Gesellschaft ohne eigene Anstrengung zunehmend ererbten Wohlstand genießt, geht der andere Teil leer aus. So wird die Spaltung der Gesellschaft zementiert. Dabei schaffen es nicht die Besten nach oben, sondern die mit den reichsten Eltern. Milliardenerben und Familiendynastien würden ohne Erbschaft der Vergangenheit angehören. Innerhalb weniger Generationen könnten große Vermögen und der Grund und Boden dem Gemeinwohl dienen.

Die Begründung für die leistungslose Übertragung von Vermögenswerten an Familienangehörige kann nicht überzeugen. Die Erblasser wollen gefühlsmäßig ihre Nachfahren bedenken. Sie sind auch die einzigen, denen man ein moralisches Recht zugestehen kann, Verfügungen für ihr Vermögen zu treffen. Deshalb sollte ihnen zugestanden werden, innerhalb von Höchstbeträgen Vorsorge für ihre direkten Nachfahren zu treffen.

Die Erben jedoch haben keine Legitimation, aus der sie besondere, moralische Rechte ableiten können. Zur eigenen Geburt haben sie selbst nichts beigetragen. Nicht selten erweisen sich Erben als ungeeignet, die Erwartungen der Erblasser zu erfüllen oder der Zuwendung moralisch gerecht zu werden.

Eine tätige Nachfolge im Familienbetrieb ist auch ohne Eigentumsübertragung sicher eine bessere Regelung für eine sinnvolle Übergabe eines Lebenswerkes. Hier muss sich der Nachfolger bereits im Voraus bewähren. Auch für die Entwicklung des eigenen Selbst ist schon die Aussicht auf ein großes Erbe oft hinderlich. Der drohende Verlust von Arbeitsplätzen ist ein Scheinargument. Wenn die Unternehmensanteile an die Gemeinschaft fallen, kann jeder Manager wie bisher das Unternehmen weiter führen. Kleine Unternehmen unterhalb der Freibeträge können weiter an Erben übertragen werden. Die Zeiten multinationaler Konzerne in privater Hand wären begrenzt.

Bei der notwendigen Bodenreform sind die Bodenflächen mit den darauf errichteten Gebäuden, Besitz- und Nutzungsangaben sowie dem zuletzt gültigen Verkehrswert zu erfassen. Die Besitzer(innen) des Grund und Bodens werden förmlich enteignet. Jährlich werden mindestens zwei Prozent des Verkehrswertes bei weiterer Nutzung durch den Alteigentümer verrechnet. Dass heißt: Bis zum Ausgleich des Verkehrswertes durch die Verrechnung von Nutzungsentgelten verbleibt der Boden kostenlos im Besitz des Alteigentümers. Ein Entzug der Nutzungsrechte von Alteigentümer(innen) ist nur gerechtfertigt, wenn ansonsten das Gemeinwohl gefährdet ist oder der Besitz unrechtmäßig erworben wurde.

Die Bodenflächen sind zu überprüfen und mit Schadstoffen oder gefährlichen Minen und Blindgängern kontaminierte Flächen zu räumen und zu sichern. Die Ackerflächen sind soweit nötig und möglich zu renaturieren sowie die sofortige ökologische Bewirtschaftung der renaturierten Flächen sicherzustellen.

Bei Wohngebäuden bleiben private Eigentumsrechte zunächst unangetastet. Das Eigentum an Grund und Boden sowie an Wohngebäuden darf allerdings nicht veräußert oder vererbt werden. Bestehende Kredite werden zinslos gestellt, von den jeweiligen Gemeinschaften übernommen und sind mit 2% in jährlichen Raten zu tilgen soweit das Eigentum nicht insgesamt auf die Gemeinschaft übertragen wird.

Hinterlasse einen Kommentar